Sonntag, 3. November 2013 - Jerusalem

Seminargruppe und Blick auf die Altstadt von Jerusalem

Nachdem man bereits am Ankunftstag einen nächtlichen Eindruck des eigenen Viertels erhaschen konnte, stand heute der Stadtrundgang durch Jerusalem auf dem Programmpunkt. Auf der Dachterrasse des Hotels wurde ein kurzes Frühstück eingenommen und es ging zu Fuß zum Treffpunkt am Damaskustor, einem der Eingänge in die belebte Altstadt Jerusalems. Am Tor erwartete uns bereits Annika, die uns an diesem Tag durch die Stadt führen sollte.

 Durch die engen Gassen und einer Vielzahl von Menschen, Farben, Gerüchen, Formen und Eindrücken schlängelten wir uns zum Programmpunkt Nummer 1, der Klagemauer (Westwall). Aufgrund der langen Wartezeit wurde der Besuch des Tempelberges verschoben und man ließ die Szenerie an diesem Ort auf sich einwirken. Annika fütterte uns mit interessanten Hintergrundinformationen und wir bewegten uns weiter durch das jüdische Viertel auf die Dächer der Altstadt. Hier wurden wir das erste Mal mit den Siedlern konfrontiert, die sich -laut Tourguide- auf den Häusern der arabischen Bevölkerung niederließen, um diese von oben herab zu okkupieren. An diesem Punkt der Stadt waren die privaten Sicherheitsdienste der Siedler, sowie die Siedlungen gut sichtbar.

Nun ging es durch die engen Gassen des Siedlungsgebiets zum nächsten historischen Gebäude der Stadt – der Grabeskirche. Annika erzählte uns viele interessante und abstruse Anekdoten zu der Kirche, welche wir in Ruhe besichtigen konnten. Da die 7 christlichen Glaubensrichtungen, die sich die Verwaltung der Kirche teilen, nicht miteinander kooperieren, befindet sich der Schlüssel der Eingangstür seit Generationen im Besitz einer muslimischen Familie, deren Aufgabe es ist, die Kirche auf- und zuzusperren. Ständige Konflikte zwischen den religiösen Vertretern seien wohl die Tagesordnung an diesem Ort. Nach der Besichtigung der Kirche, des Grabes Christi und der Kreuzigungsstelle (ebenfalls innerhalb der Kirche gelegen), statteten wir dem Dach des österreichischen Hospizes einen Besuch ab. Dort genossen wir einen eindrucksvollen und atemberaubenden Ausblick über Altjerusalem.

Frisch gestärkt durch lokale Spezialitäten starteten wir einen erneuten Versuch den Tempelberg zu erklimmen. Da die Bäuche voll und die Beine schwer waren, kamen wir zwei Minuten nach Schließung des Eingangs an. So verpassten wir auch die zweite Möglichkeit den Tempelberg zu besteigen.

 Durch die ungewollte Planänderung blieb uns nun genügend Zeit der City of David, ein Teil des Nationalparkverbandes Israels, einen Besuch abzustatten. Vor Ort erzählte uns Annika viele interessante Informationen zu dem archäologischen Inhalt der Ausstellung, den Betreibern der Ausgrabungsstätte sowie deren Methoden.

Zum Abschluss des Stadtrundgangs sammelten wir uns wieder im jüdischen Viertel um  das Erlebte gemeinsam Revue passieren zu lassen. Ebenfalls teilten wir uns in verschiedene Gruppen auf, die per Shirut in Netanya ein Fußballspiel von Hapoel Tel Aviv besuchten oder den Ölberg bestiegen und andere Orte der Stadt begutachteten.

Voller neuer Eindrücke, interessanter Gespräche und Erfahrungen fiel man nach Zwölf Uhr ins Bett um sich für den morgigen Tag etwas zu erholen. Der erste Tag war ein super Einstand und machte Vorfreude auf mehr… 

 

Timo, 26 und Alex, 32


 

 

Montag, 4. November - Beit Theresienstadt

Die Namen der Fußballmannschaften in Theresienstadt

 

„Wir lieben Fußball. Und wir leben“

Der zweite Tag unserer Bildungsreise führte uns zum Beit Terezin. Ein Ausstellungsbesuch,  ein Vortrag mit Filmvorführung und Diskussion und sogar ein Zeitzeugengespräch standen auf dem Programm. Das Zentrum  für die Überlebenden des Ghettos Theresienstadt wurde von diesen selbst gegründet, um einen gemeinsamen Treffpunkt zu haben, Erinnerungen wach zu halten und die eigene Geschichte an kommende Generationen zu vermitteln. Es ist in einem Kibbuz in der Nähe der israelischen Stadt Netanya angesiedelt. Wie nicht anders zu erwarten haben wir bei unserem Besuch  viele Eindrücke gesammelt und allerhand Neues entdeckt. An dieser Stelle noch mal ganz herzlichen Dank an die Menschen vom Beit Terezin, die uns an diesem Tage willkommen geheißen und begleitet haben, insbesondere auch an Alisa Tennenbaum für die wertvolle Zeit, die sie uns gewidmet hat.    


Zu sagen, dass der Besuch im Beit Terezin tief beeindruckend war, hört sich natürlich wenig beindruckend an.  Aber viel besser kann ich es nicht auf den Punkt bringen. Es war nicht die Exkursion in die Vergangenheit, die mich völlig vereinnahmte, sondern vor allem war es der Geist, der das Beit Terezin beseelt, welcher mich so berührt hat. Wenn man sich in den Räumen der Ausstellung bewegt, wird man mit Erinnerungen einer schrecklichen Vergangenheit konfrontiert und taucht zugleich in die Geschichte der unzähligen Menschen ein, die durch ihr Schicksal das Beit Terezin initiierten und  prägten. Und doch löst sich die Perspektive von Betrachtungen der Rolle der Täter auf der einen und der Rolle der Opfer auf der andern Seite. Für alle, die hier leben und alle das Beit besuchen und damit auch für uns, die wir uns hier aufhalten, steht nicht der Gedanke nach dem was  ertragen werden mußte, sondern nach dem was  getan wurde um zu überleben, im Vordergrund.  Die Aus- und Zugänge, die jede/r  für sich selbst gefunden hat, um sich  davon zu lösen, was das Opfersein mit sich brachte und sich dem zuzuwenden was das Überleben an Kräften freisetzte, mögen zahllos sein. Für mein Empfinden und Verarbeiten hat sich die Geschichte des Fußballs im Ghetto Theresienstadt geradezu aufgedrängt, weil mich ohnehin viel mit der Faszination des Fußballs verbindet. Meiner Meinung nach sind sowohl  Fußball, als auch die Judenverfolgung im Dritten Reich für mich gut bekannte Themengebiete. Trotzdem war es für mich neu einen Bogen zwischen beidem zu schlagen.  Zunächst wusste ich  persönlich zum Beispiel überhaupt nicht, dass im Konzentrationslager Theresienstadt richtig organisiert Fußball gespielt wurde. Auf der einen Seite wurde das, neben Handwerk, Kunst und Kultur, von den Nationalsozialisten gefördert, um damit alltägliche Normalität vorzutäuschen. Theresienstadt, mit Hilfe dieser Zwischenstation der Vernichtungspolitik sollte zeitweilig der Fragen stellenden Welt  beruhigende Antwort erteilt werden. Unter der Regie von Kurt Gerron, der zu dieser Arbeit gezwungen und schließlich nach Auschwitz deportiert und  dort ermordet  wurde, entstand sogar ein Dokumentarfilm über das Leben im Ghetto Theresienstadt. Ein Film übrigens, der nie öffentlich gezeigt wurde. Auf der anderen Seite jedoch, und das war das wirklich Beindruckende, hat der Fußball für viele einfach auch ein Stück Normalität in den zerstörerischen Wahnsinn des Ghettoalltags gebracht. Anhand der Zeitdokumente konnte ich  mir gut vorstellen, wie sich die Sportbegeisterten, wenn sie irgend konnten, ganz im Geiste des Beit Terezin, vollen Herzens diesem Stück Freiheit gewidmet haben. Es gab eine Ghettoliga, deren Mannschaften nach ihrem Arbeitsort beispielsweise Fleischer, Bäcker, Kleiderkammer, Ghettowache oder Arbeitswache hießen oder aber  nach ihrer Herkunft  Namen wie Hollandia, FC Wien, Fortuna Köln oder Praga trugen. Es gab Spielpläne, Tabellen und sogar eine Fußballzeitung.  Es klingt gerade für diejenigen, die damit nichts anfangen können völlig weltfremd, aber tatsächlich stiftete der  Fußball im Ghetto Theresienstadt einen Teil  Lebenskraft  und hatte damit eine sinngebende, hoffnungserhaltende und letztlich eine den  Lebenswillen erhaltende Funktion. In ihrer ganzen Bandbreite zwischen Tragik, Resignation, Hoffnung und Trost entfaltet sich hier die Aussage:  Der Mensch bleibt immer der Mensch.

Stellvertretend dafür sollen zum Schluss zwei Zitate stehen, die ich in der Fußballzeitung der Ghettoliga Theresienstadt, der boys paper „Rim Rim Rim“ gefunden habe: 

”`Bohemia Team´ entered the field with two players missing – they left Theresienstadt on a transport.”
“For the last game of the seventh round the `Rapid´ Team reported with missing players. Netl was injured and Sat went with a transport, in his place a player entered the field from whom not much was expected.” 

 

Steff, 48


 

 

Eine Geschichtsstunde der besonderen Art

Alisa Tennenbaum im Gespräch mit den TeilnehmerInnen

Das Programm unserer Bildungsreise in Israel hatte es in sich, viele Zahlen, Fakten und Orte entwickelten sich zu einen großem Knäul in meinem Kopf, welches sich wohl nur Stück für Stück entwirren lässt. Dabei helfen mir vor allem die persönlichen Gespräche mit den Menschen die wir vor Ort trafen und uns über ihr Leben zwischen den Zahlen, Fakten und Orten berichteten.

Besonders im Hinblick auf den Holocaust, bieten die Gespräche mit ZeitzeugInnen die Möglichkeit dem vermittelten Wissen ein Gesicht zu geben.

Wir trafen Alisa Tennenbaum in Beit Theresienstadt am 4. November 2013.

Alisa Tennenbaum wurde am 3. September 1929 in eine traditionelle jüdische Familie in Wien geboren. Ihre Schwester Myriam war damals bereits 7 Jahre alt. Ihr Vater Moshe Scherzer war in Österreich geboren und ihre Mutter Edith in Galizien, im Süden Polens. Die Eltern besaßen ein Geschäft für Hülsenfrüchte und Alisa ging später in eine gemischte Schule, mit Juden und Christen. Dort konnte sie bis zum Anschluss Österreichs, am 12. März 1938, die Schule besuchen. Danach wurden alle jüdischen Kinder von der Schule verwiesen. Ende Mai 1938 wurde dann eine Schule nur für jüdische Kinder eröffnet, welche aber bereits am 10. November, einen Tag nach der sogenannten „Reichskristallnacht“ wieder geschlossen wurde. Alisa Tennenbaum nennt als Grund für die Schließung die viel zu gefährliche Situation für die Schüler und Schülerinnen der Schule.

Alisa berichtete uns, dass am selben Tag eine nichtjüdische Frau zur Wohnung der Familie gekommen sei und ihnen von der Verhaftung ihres Vaters erzählte. Zehn Tage später bekam die Familie eine Karte von Vater aus dem Lager Dachau. Zu diesem Zeitpunkt haben viele Juden bereits versucht ein Visum für das Mandatsgebiet Palästina zu bekommen, aber nur 60 Jugendliche aus Wien erhielten eines – darunter Alisas Schwester.

Im Januar 1939 öffnete die Schule für jüdische Kinder wieder, so erzählt es Alisa Tennenbaum. Dort saß sie im Unterricht, als erneut eine Nachbarin sie über die Freilassung des Vaters aus Dachau unterrichtete. Sie sei dann sofort nach Hause gelaufen und hat Ihren Vater nicht wieder erkannt: “Er saß auf dem Bett und weinte. Sein Kopf war kahl geschoren. Papa hatte drei Monate um Österreich zu verlassen und durfte nur einen einzigen Koffer mitnehmen.”

Dank eines Briefes von Familienangehörigen, welche in Kanada lebten, erhielt der Vater ein Visum für Großbritannien. Er reist im April 1939 ab und versucht fortan Alisa und ihre Mutter nach Großbritannien zu holen. Die Mutter arrangiert für Alsia im Sommer 1939 einen Platz in den Kindertransporten nach England. Am 22. August 1939 kann sie Österreich verlassen. Ihre Mutter bleibt allein in Österreich zurück.

Alisa berichtete uns dann von ihrer Ankunft in Großbritannien: “In London hat man uns in einem großen Amphitheater versammelt. Ich habe in der Menge, die gekommen war, um die Kinder abzuholen meinen Vater gesucht, aber er war nicht da. Am Ende blieben nur ich und ein kleiner Junge übrig.

Dann hat man mir ein paar Worte um den Hals gehangen: Richtung New Castle. Ich habe allein den Zug genommen und die ganze Fahrt über geweint. Ich hielt ein Deutsch-Englisches Wörterbuch in der Hand. Ein Priester und eine Frau, die Deutsch sprachen, haben mich beruhigt und mir geholfen am richtigen Bahnhof auszusteigen.

Zwei jüdische Frauen, die sich um die Flüchtlingskinder kümmerten, erwarteten mich bei meiner Ankunft. Sie haben mich in ein Mädchenpensionat gebracht. Zwei Tage nach meiner Ankunft bin ich in die Schule gegangen. Die Lehrerin hat mir sehr geholfen.”

Eine Woche nach ihrer Ankunft, am 3. September 1939, hörte sie Sirenen. “Ich dachte, es wäre für meinen Geburtstag!” In Wirklichkeit war der Krieg ausgebrochen. Nach Ausbruch des Krieges bat man sie, auf der Straße nicht mehr Deutsch zu sprechen, da das die Sprache des Feindes war. In dieser Zeit bekam Alisa auch einen Brief von ihrer Schwester, die in Palästina war, aber sie hatte weder Neuigkeiten von ihrem Vater in Großbritannien, noch von ihrer Mutter in Wien. Doch sechs Wochen später besuchte ihr Vater, in der Uniform der britischen Armee, sie plötzlich. Fortan besuchte ihr Vater sie alle drei Monate, Neuigkeiten von ihrer Mutter gab es bis dahin jedoch nicht. 

“Ich wusste nicht, was sich im Rest Europas abspielte. Im Pensionat kümmerte man sich darum uns abzulenken. Am 2. Mai 1945 ist ein Telegramm angekommen: Mama ist aus dem Lager Ravensbrück befreit worden und befand sich zur Erholung in Schweden. Ich habe sofort Telegramme an meinen Vater und an meine Schwester geschickt, um ihnen die wunderbare Neuigkeit mitzuteilen.

Ich hatte einen Vater und eine Mutter, während meine Freundinnen niemanden mehr hatten. Ich fühlte mich schuldig.”

Sie erzählt, dass ihr Vater und sie ihr Überleben der Tatsache verdanken, dass sie nach England auswandern konnten.

Die Mutter traf die Familie erst im Januar 1946 wieder. Alisa Tennenbaum berichtet weiter: “Mama hat erzählt, was ihr seit unserer Abreise passiert ist. Sie hat einen gelben Stern auf ihrer Kleidung tragen müssen. Eines Tages ist sie ins Ghetto von Lodz, nach Polen, geschickt worden. Danach hat man sie nach Auschwitz deportiert und dann in ein Arbeitslager in der Nähe von Berlin, wo sie in der Munitionsfabrik von Krupp arbeiten musste.

Mama diente als Übersetzerin, weil sie Deutsch und Polnisch sprach. Danach ist sie nach Sachsenhausen und dann nach Ravensbrück deportiert worden. Am 28. April 1945 ist sie im Rahmen eines Gefangenenaustauschs nach Schweden gebracht worden. Bei ihrer Ankunft dort war sie 48 Jahre alt und wog nur 42 Kilo.”

Alisa Tennenbaum lebt heute mit ihrer Familie in Israel.

 

Benjamin, 30 Jahre


 

 

Dienstag, 5. November 2013 - Yad Vashem

Die Gruppe in Yad Vashem

Eine Reise nach Israel ist quasi undenkbar ohne einen Besuch in Yad Vashem, der zentralen Shoa-Gedenkstätte auf dem Mount Herzl in Jerusalem. Der Mount Herzl stellt dabei auch einen wichtigen Bestandteil der Idee Yad Vashems dar. Der Berg benannt nach Theodor Herzl, dem Begründer des neuen politischen Zionismus im 19. Jahrhundert beherbergt Yad Vashem. Somit geht es bei dem Museum und der Institution Yad Vashem nicht nur um die Geschichte der Shoa sondern auch um die Betonung der Notwendigkeit eines Staates Israel. Der Ort beherbergt allerdings nicht die die Dauerausstellung zur Geschichte des Holocaust, durch die man quasi auf einer Art Zick-Zack-Weg durch die verschiedenen Stufen geleitet wird, sondern ebenso viele verschiedene Denkmäler wie das Tal der Gemeinden, die Allee der Gerechten unter den Völkern, das Kinder-Memorial, das Partisanendenkmal und vielen weiteren kleinen und größeren Denkmälern. Der Eindruck den diese Denkmäler hinterlassen ist beeindrucken. Zudem hat Yad Vashem ein großes Forschungsinstitut zur Geschichte der Shoa und deren Nachwirkungen. Ganz im Gegensatz zur Ausstellung, die sehr viele überfordernde Bilder und Filme einsetzt um die Grausamkeit des Holocaust sichtbar zu machen vermittelt das Gelände eine unglaubliche Dimension ohne zu schockieren. Dieser Kontrast zwischen der überladenen und überfordernden Ausstellung und dem weitläufigen Gelände, das dennoch nicht weniger emotionalen Zugang zulässt fasziniert an dem Aufbau der Gedenkstätte.

 Zu Beginn hatten wir eine Führung durch die Dauerausstellung im Museum zur Geschichte des Holocaust. Die beeindruckende Architektur des Gebäudes, führt den Besucher durch verschiedene sogenannte Galerien im Zick-Zack-Weg durch die verschiedenen Phasen von den ersten Ausgrenzungen bis hin zur systematischen Ermordung der europäischen Juden. Am Ende geht der Weg heraus aus dem Gebäude auf die Aussichtsterasse, die einen Ausblick auf das heutige Jerusalem freigibt und somit die Notwendigkeit des Staates Israels als Schutzraum für die jüdische Bevölkerung untermauert.

Innerhalb der Gruppe waren die Eindrücke in Yad Vashem sehr unterschiedlich. In einer Reflexionsphase tauschten wir gegenseitig unsere Eindrücke des Tages, aber auch der vergangenen Tage aus. Neben einem gewissen (Unbehagen) gab es auch Teilnehmer_innen die enttäuscht waren, da unsere Führung nur die Ausstellung umfasste und sich nicht alle das gesamte Gelände angeschaut haben. So blieb quasi ein Teilbereich ungesehen.

Alles in allem war der Ausflug und Besuch wirklich spannend. Trotz dem immer wiederkehrenden Gefühl von „Wissen wir doch alles schon…“, zeigt die Ausstellung und auch das Gelände viel unausgesprochenes, viele Kleinigkeiten die einen zum Grübeln bringen und andere Sichtweisen ermöglichen.

 

Céline, 28


 

 

Mittwoch, 6. November 2013 - Hebron

Geschlossene Geschäfte in der H2 Zone in Hebron

Der Nahostkonflikt ist vor allem durch die mediale Berichterstattung ein in Deutschland präsentes Thema, dessen Komplexität als Außenstehender oftmals nur schwierig zu verstehen ist. 

Eine Stadt, die als ein exemplarisches Beispiel der Auseinandersetzungen angesehen werden kann, ist Hebron.

Hebron liegt grade einmal 30 Kilometer südlich von Jerusalem und ist mit rund 200.000 Einwohnern eine der wichtigsten Städte im Westjordanland. Die Stadt gilt als eine der ältesten ununterbrochen bewohnten Städte der Erde und spielt vor allem auch in der Bibel eine Rolle. Aus religiöser Sicht ist Hebron vor allem für Juden, Muslime, aber auch für Christen ein bedeutender Ort. Alle drei Religionen beziehen sich inhaltlich auf die Person Abraham, der als Stammvater gilt. In Hebron befindet sich das sogenannte Grab des Patriarchen, das Grab Abrahams. Aus diesem Grund gilt Hebron vor allem für Muslime und Juden als wichtige Pilgerstätte. Hebron befindet sich jedoch im Palästinensischen Autonomiegebiet, was vor allem in der Vergangenheit zu Konflikten zwischen Juden und Muslimen führte, da beide Parteien einen Zugang zur Grabeskirche Abrahams einfordern. Dementsprechend ist Hebron sowohl für Israelis, als auch für Palästinenser ein strategisch wichtiger Ort, auf den beide Streitparteien Einfluss nehmen wollen. Dies führt immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, die schon mehrere Menschenleben gefordert haben. Der Konflikt in Hebron manifestiert sich vor allem durch die Präsenz beider Konfliktparteien im Zentrum der Stadt. Neben dem Großteil der Palästinenser leben im Zentrum von Hebron eine Minderheit von Juden, die teilweise der Siedlerbewegung angehören. Diese spannungsgeladene Situation führte letztendlich dazu, dass die Stadt 1998 in zwei Zonen aufgeteilt wurde: H1 bezeichnet den größten Teil der Stadt, der ausschließlich den Palästinenser zusteht. In der Zone H2 leben dagegen jüdische Bewohner neben Palästinenser. H2 wird von der israelischen Armee kontrolliert, deren Aufgabe der Schutz der jüdischen Einwohner Hebrons ist. Zwischen beiden Zonen bestehen Checkpoints, die Unbefugten vom Zutritt zur jeweils anderen Zone abhalten soll. Hebron ist damit de facto eine geteilte Stadt mit einer äußerst hohen Militärpräsenz und einer konfliktreichen Geschichte.

Mit diesen grundsätzlichen Informationen ausgestattet, wollten wir uns in Hebron selbst ein Bild der Lage machen und die Atmosphäre der geteilten Stadt selbst erleben. Von Jerusalem aus erreichten wir Hebron relativ schnell mit dem Bus durch das Westjordanland vorbei an Bethlehem und den Sperranlagen zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten. Ein erstes Bild von Hebron erhielten wir in der arabisch geprägten H1-Zone, die einen äußerst lebhaften Eindruck hinterließ. Auf dem Basar der Stadt boten Händler vor allem Früchte wie beispielsweise Granatäpfel oder Zitrusfrüchte an. Auf den ersten Blick schien der in Hebron vorherrschende Konflikt nicht spürbar zu sein. Jedoch hinterließ die Stadt einen ärmlicheren Eindruck als die Städte in Israel, die wir bis dato besucht hatten. Je weiter wir uns der historischen Altstadt Hebrons näherten, umso spürbarer wurde dagegen die konfliktgeprägte Atmosphäre. Israelische Armeeposten, die von Stacheldrahtzäunen umgeben waren, vermittelten deutlich den Eindruck einer geteilten Stadt. Die Teilung der Stadt führte vor allem dazu, dass viele ehemalige Bewohner der Altstadt diese im Laufe der Zeit verließen und viele Geschäfte dort aufgaben. Diese und weitere Informationen bekamen wir bei unserem Besuch bei „Women in Hebron“, einer palästinensischen nonprofit Kooperative. Dieser Zusammenschluss palästinensischer Frauen wurde 2005 gegründet und sich zum Ziel gesetzt durch die Produktion gestickter Textilien vor allem die Rolle von Frauen in Palästina zu stärken. Mittlerweile arbeiten dort circa 120 Frauen, was nicht immer von den jeweiligen Ehemänner gutgeheißen wird. Durch die Stickarbeit können die Frauen vor allem unabhängig von ihren Männer die eigene Familie finanziell unterstützen. Interessant für uns war besonders das Gespräch mit der Gründerin der Organisation, die uns zum einen detailliert die Arbeit der Frauen, wie auch das Leben im geteilten Hebron darstellen konnte. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang war vor allem das progressive Selbstbild der Frauen im Islam, welches die Organisation offensiv vertritt. Nachdem wir die Gastfreundschaft der Organisation genießen durften, erhielten wir auf dem Dach einer christlichen Friedensorganisation einen interessanten Ausblick über die gesamte Stadt. Rund um uns herum konnten wir Soldaten mit Maschinengewehren im Anschlag beobachten, die das Treiben auf den Straßen aufmerksam verfolgten. Spätestens hier wurde uns deutlich, welch extreme Situation in Hebron vorherrscht. Das Militär ist stets präsent, gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen israelischen Siedlern und Palästinensern sind grundsätzlich nur schwer auszuschließen. Deutlich wurde vor allem die Trennung der Stadt in einzelnen Gebiete, die nur Befugte betreten dürfen. So existieren beispielsweise mehrere Straßen, die ausschließlich von jüdischen Bewohnern Hebrons genutzt werden dürfen. Einzelne Checkpoints sorgen dafür, dass die Trennung der Stadt funktioniert. Dies führte in Hebron dazu, dass einzelne Straßen den Eindruck einer Geisterstadt hinterließen, da sie kaum benutzt wurden, währenddessen ein paar Kilometer weiter ein großes Treiben auf dem Basar von Hebron herrschte. Die teilweise gespenstische Ruhe auf den Straßen mitsamt der vorherrschenden Militärpräsenz hinterließ einen bleibenden Eindruck. Eine geladene Atmosphäre war dementsprechend vor allem in der H2-Zone merklich spürbar und es bleibt wahrscheinlich für die meisten Touristen, die nach Hebron kommen, unvorstellbar in solch einer angespannten Situation zu leben.

Anschließend besuchten wir die Grabeskirche Abrahams, die ebenfalls geteilt wurde. Ein Eingang ist den Juden, ein Eingang den Muslimen vorbehalten. Selbst an diesem heiligen Ort wurde der blutige Streit zwischen Juden und Palästinensern ausgetragen, als 1994 bei einem Massaker 29 Menschen ermordet wurden. Die Einschusslöcher dieser Tat konnten wir bei unserem Besuch in der Kirche noch deutlich erkennen, ein eindeutiges Zeichen dafür, dass diese Spannungen noch immer aktuell ist. Und dennoch ist im muslimischen Teil Hebrons weitaus weniger von diesem Streit zu spüren, als in Zone H2. Genau diese Tatsache stellt höchstwahrscheinlich auch das Bild der Stadt sehr gut dar: Hebron ist eine Stadt der extremen Gegensätze und ein sehr gutes Beispiel für den vorherrschenden Konflikt, der im kleinen auf den Straßen Hebrons und im großen in weiten Teilen des nahen Osten ausgetragen wird.

Durch unseren Besuch in Hebron erhielten wir die Möglichkeit uns selbst ein Bild der Lage im Westjordanland zu verschaffen. Er machte deutlich unter welchen Umständen Auseinandersetzungen entstehen und welche Hintergründe hierbei eine Rolle spielen. Letztendlich führte der Besuch in Hebron zu vielen weiteren ungeklärten Fragen und zu der Erkenntnis, dass ein abschließendes Urteil über den Nahostkonflikt als Außenstehender kaum möglich ist.

 

Marco, 26


 

 

Donnerstag, 7. November 2013 - Tel Aviv

UEFA-Cup Spiel Maccabi Tel Aviv gegen Eintracht Frankfurt im Bloomfield Stadium in Tel Aviv

Shimon Peres und die Pleite von Tel Aviv

Der Donnerstag fing für uns wie so häufig in diesen 7 Tagen mit einem Kaffee in der Fußgängerzone von Jerusalem an, aufgrund eines kräftezehrenden Vortages für viele die einzige Möglichkeit die bevorstehenden Unternehmungen halbwegs fit zu meistern.

Verteilt auf zwei Sheruts ging es also vormittags auf den Weg nach Tel Aviv. Die Laune war bestens, was vermutlich auch an den Fahrern der Taxen lag, da diese doch eher wenig davon hielten, sich mal vorher genauer anzusehen wo wir eigentlich hinwollten.

Bei Sonnenschein und Blick aufs Mittelmeer kamen wir dann am ausgemachten Treffpunkt an: Das Peres Center for Peace. Das Peres-Center ist eine gemeinnützige NGO welche sich für dauerhaften Frieden und Fortschritt im Nahen Osten einsetzt durch die Förderung von Toleranz sowie wirtschaftlicher und technologischer Entwicklung und Zusammenarbeit in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen.

 Ein recht klobiger, moderner Beton-Kubus direkt am Strand, etwa einen Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Empfangen wurden wir von Dvir Zivan, dem Project Manager des Sport Department und wirklich netten Mitarbeiter des Peace-Centers, dessen modisch fragwürdiges Hemd die Farben des lokalen Fussballclubs Maccabi Tel Aviv zierten, was im Laufe des Gesprächs mit ihm auch noch Thema werden sollte. Die gefühlten 10 Grad im Konferenzraum schmälerten den Austausch und das Interesse unserer- und seinerseits in keiner Weise. Dvir fing an uns  die Geschichte des Peres Centers und der verschiedenen Begegnungsprojekte im Bereich Sport zu erzählen, er bezog uns als Gruppe mit ein und wir tauschten gegenseitig unsere Erfahrungen aus. Es war für uns das erste Mal, von einer Initiative zu hören, deren pädagogischer Ansatz das Zusammenbringen bzw. Zusammenleben von israelischen und palästinensischen Kindern ist, Sport, insbesondere der Fußball, im Fokus. Die Angebote gehen auch über den Fußball hinaus, das Erlernen der jeweiligen Sprachen oder das gemeinsame Malen etc. sind ebenfalls Teil des Projekts.

 Er schilderte uns, wie schwierig diese Aufgabe häufig ist, die Kinder zusammenzubringen, da die jährlichen Fußballturniere ausschließlich in Israel stattfinden da Israelis sich nicht im palästinensischen Autonomiegebiet aufhalten dürfen. Gleichzeitig bedeutet dies einen immensen bürokratischen Aufwand, Aufenthaltsgenehmigungen für die palästinensischen Kinder zu bekommen. Ebenso schwierig ist es, die Vorbehalte der Eltern, welche häufig diesen Projekten entegegengebracht werden, zu entkräften. Gerade das Fußball-Projekt ist aber mittlerweile sehr populär geworden, was nicht zuletzt an der prominenten Unterstützung von Starfußballern wie beispielsweise Ronaldinho oder Lionel Messi liegt.

Nach etwa 2 Stunden des Austauschs und einer Prognose Dvirs für das am Abend stattfindende Spiel - der Mode-Narr sollte Recht behalten - verabschiedeten wir uns.

Nun waren wir also in Tel Aviv und die Vorfreude auf das UEFA-Pokal Spiel welches, wie es der Zufall so wollte, am Abend vor Ort zwischen Eintracht Frankfurt und dem israelischen Meister Maccabi Tel Aviv ausgetragen wurde, war bei jedem zu spüren. Den Nachmittag nutzten wir in Kleingruppen, einen Eindruck von der Stadt zu bekommen, den Strand zu erkunden, in Jaffa  auf den Flohmarkt zu gehen oder sich ganz klassisch in einem Straßencafé von hyperaktiven Kellnern das letzte Geld aus der Tasche zu ziehen, indem man für ein Falafel und ein Bier umgerechnet etwa 15 Euro zahlte... Aber auch das war an diesem Tag völlig nebensächlich. Diese Stadt, für uns im Gegensatz zu Jerusalem sehr europäisiert, war bereits voll mit Fußballfans aus Frankfurt.

Man traf hin und wieder bekannte Gesichter aus der Heimat und verabredete sich zu einem gemeinsamen Spaziergang zum Stadion. Da es an diesem Abend etwa 1700 (deutsche) Gästefans waren, die lautstark durch die Straßen von Tel Aviv zogen, machte sich bei dem einen oder der anderen aufgrund der Geschichte ein etwas mulmiges Gefühl breit. Dies wurde aber schnell entkräftet, da die Reaktionen der Menschen am Straßenrand auf die reisefreudigen Fans durchweg positiv waren. Jetzt waren es nur noch wenige hundert Meter...

Naja, da standen wir nun also vor dem Bloomfield-Stadion zu Tel Aviv. Ein eher kleines, veraltetes Stadion, erbaut 1962. Die Stimmung war grandios, vor den Blöcken war es friedlich und es war ein seltsames Gefühl, an einem Novemberabend im T-Shirt auf einem anderen Kontinent zu stehen und zu wissen, man wird in wenigen Minuten seine Mannschaft in einem UEFA-Pokalspiel anfeuern. Der Tag, es war bereits der fünfte unserer gemeinsamen Reise, ein ereignisreicher und eindrucksvoller dazu, neigte sich dem Ende zu.

 Dann war es 20.00 und das Spiel wurde angepfiffen...

 

Michel, 29 und Paul, 29


 

 

Freitag, 8. November 2013 - Jerusalem-Katamon

Zu Gast bei Hapoel Katamon Jerusalem

Der Tag startete für die meisten Reiseteilnehmer schleppend. Die letzte Nacht hing noch in den Knochen und irgendwie wollte man sich nicht erinnern wieso. Die Tageszeitung, die auf dem Zion Square verteilt wurde sollte Aufschluss geben. Die Seiten durchsuchend fand man schließlich den Sportteil. Niemand von uns konnte ernsthaft die hebräische Schrift lesen, jedoch ergaben die Übersetzungsversuche, dass die Fans der Frankfurter Eintracht wohl die schönsten und stimmgewaltigsten der Welt sein sollen. Das liest sich gut, ebenso wie das Ergebnis des gestrigen Spiels wenn man es, wie gewohnt von links nach rechts liest (2:4).

Mittlerweile wurde man an diesem Tag schon vom Kassierer im Café mit Vornamen angesprochen und die morgendlichen Rituale wurden zur Gewohnheit. Ebenso wie die chaotischen Taxifahrten, die einen jeden nach einer Woche nicht mehr schocken konnten.

Also machten wir uns auch an diesem Tag aufgeteilt auf Taxen auf den Weg zu einem Treffen mit Vereinsmitgliedern des lokalen Klubs Hapoel Katamon Jerusalem. Empfangen wurden wir von Eitan Perry, einem Vorstandsmitglied des Vereins. Er erzählte uns die Geschichte ihres Vereins, die eigentlich vielmehr die Geschichte zweier Vereine ist. Sie beginnt bei den Fans von Hapoel Jerusalem, die nicht länger dabei zu gucken wollten, wie der Investor, der den Verein gekauft hatte, ihn über die Jahre wirtschaftlich ruinierte. Um das Problem konstruktiv zu behandeln trafen sich etwa 50 Fans um zu beraten, was geschehen soll. Sie entschlossen sich Geld zu sammeln um dem Investor das Angebot zu machen, den Verein aufzukaufen. Dieser lehnte ab und man entschied schließlich mit dem Geld einen eigenen Verein zu gründen. Hapoel Katamon Jerusalem - benannt nach dem sozial schwachen Viertel Katamon im Süden von Jerusalem.

Mittlerweile sind seit der Gründung sieben Jahre und 3 Aufstiege vergangen und man spielt heute in der zweiten Liga von Israel und trifft in dieser zum ersten Mal auf den alt geliebten Verein Hapoel Jerusalem. Neben der außergewöhnlichen Vereinsgeschichte sind die Anhängern auch abseits des Rasens sozial engagiert. Fans bieten Kindern Nachhilfe und Sprachkurse und organisieren Fußballturniere zwischen Schulmannschaften aus verschiedenen Stadtteilen Jerusalems. Zudem stellt der Verein auch eine politische Opposition zu diversen Vereinen aus der Gegend. Bei Hapoel Katamon sind Anhänger und Spieler jeder Herkunft herzlich Willkommen, was im Israelischen Fussball scheinbar nicht selbstverständlich ist.

Im Anschluss an das treffen mit Eitan Perry besuchten wir dann ein Heimspiel von Hapoel Katamon Jerusalem im Teddy Kollek Stadium gegen Maccabi Yavne. Was spielerisch geboten wurde war ganz okay, es wurde den Anfeuerungen auf der Tribune allerdings nicht gerecht. Immerhin sorgte der Spielverlauf für Spannung. Das Team von Katamon führte mit 2:0 bis Yavne durch zwei Elfmeter ausgleichen konnte. Wenige Minuten vor Schluss konnte Hapoel dann aber noch mal Druck aufbauen und Yavne‘s Innenverteidiger traf per Eigentor zum Endstand von 3:2.

Nach dem erfolgreichen Ligaspiel trafen wir ein paar Hapoel Fans um den Sieg zu feiern und sich auszutauschen. Bei guten Gesprächen wurde der letzte Abend in Jerusalem so ziemlich spät.

 

Matze, 24